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Geschäfte mit der Angst
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von Cerny ©1992-2011 - zuletzt überarbeitet: 26.06.2011
 

Unternehmen machen Gewinne damit, Lösungen für Probleme zu verkaufen. Wobei das natürlich umso schwieriger ist oder wird, je weniger Probleme die Menschen haben. In einer Konsum- und Überflussgesellschaft, in der für nahezu sämtliche faktischen Alltagsprobleme bereits mehrere Lösungen existieren, werden deshalb „Probleme” creiert, die keine sind, um die dazugehörigen „Lösungen” zu verkaufen, die ansonsten niemand bräuchte.

Ein System, das - rein wirtschaftlich betrachtet - nahezu an Genialität grenzt: so wurde zunächst etwa erklärt, welche immensen „Probleme” sich dadurch beheben lassen, indem sich die Menschen einen Fernseher zulegen, einen Heimcomputer und eine Spielkonsole, um dann die steigende Isolation und Kontaktarmut zum nächsten Problem zu erklären, das neue Lösungen erfordere: das „Informations- und Kommunikationszeitalter” mit seinen Folge-Problemen und -„Problemen”.

Auf recht ähnliche Weise hat man irgendwann die „Freizeit” problematisiert und mit dem Verkauf jeder Menge „Lösungen” für eine entsprechende „Freizeitgestaltung” begonnen: die Geburt der „Freizeit-Industrie” - mit der Folge, dass die Menschen seit dem auch ihre „freie Zeit” strategisch verplanen, bis nichts mehr davon übrig ist, und jeder Einkauf, jedes ungeplante Ereignis zu Stress und Hetze führt, wofür prompt wieder passende Lösungen erhältlich sind („Zeitmanagement”, „Wellness”, Kindertagesstätten, etc), um die dadurch „neu gewonnene freie Zeit” gleich wieder verplanen und dem „Problem” der Langeweile entgehen zu können, und das Ganze wieder von vorn.

Apropos „Wellness”: hier wurde einigermaßen trickreich der früher noch eher dröge Bereich der schon vom Begriff her dröge klingenden „Gesundheitsvorsorge” mit einem nagelneuen, deutlich attraktiveren Etikett versehen. Das „Wohlfühlen” als quasi neu entdeckte Lebensqualität, als Lösungsangebot, um von den zahlreichen Alltagsproblemen zumindest ein paar Minuten gedanklich frei zu sein - und „ganz nebenbei” außerdem noch etwas für seine Gesundheit zu tun, also dem Problem einer möglichen Erkrankung vorzubeugen.

Hinter all dem unter der Oberfläche verborgen lauert die Idee, dass tatsächliche oder eben auch scheinbare, künstliche Probleme einer technischen, methodischen und damit käuflichen Lösung bedürfen ...was „natürlich” zwangsläufig der Fall sein muss in einem (wirtschaftlichen) System, das mit dem Konsum steht und fällt - was jedoch für die Masse der Menschen offenbar weniger als zwangsläufige Folge erkannt wird, sondern sich eher bereitwillig daran beteiligt, und viel mehr darüber frustriert ist, dass das Einkommen nicht ausreicht, um alles das kaufen zu können, was in diesem Wust angeboten wird. Ein „Problem”, für das wiederum Kleinkredite, Ratenkauf und Rabattaktionen aller Art als passende „Lösungen” creiert wurden.

Wobei gerade die Gesundheit exemplarisch dafür steht, dass sich mit Problemen vielleicht gute Geschäfte machen lassen, mit der Angst der Menschen jedoch noch viel bessere:
Angst vor Krankheit, Tod und Elend, vor Arbeitslosigkeit und Armut, Angst vor Kriminalität und Terrorismus, vor Naturkatastrophen und „Klimawandel” und Krisen aller Art, Angst davor, nicht schön genug zu sein, nicht schlau genug zu sein, nicht „up-to-date” zu sein, nicht „in” zu sein, die falsche Frisur zu haben, die falschen Klamotten zu tragen, den falschen Beruf zu haben, das falsche Auto zu fahren, Angst um die Partnerschaft, um die Firma, um den Arbeitsplatz, etc, etc, etc.
Jede Menge Ängste, die sich zu einer generellen „Zukunftsangst” summieren, von der sich angeblich über 80% der Menschen betroffen fühlen.

Wer nun meint, dass das ein ziemlich tragischer Zustand sei, an dem sich etwas ändern sollte und müsse, hat noch nicht tief genug unter die Oberfläche gesehen. Denn im Gegenteil: diese Masse von tatsächlichen oder scheinbaren Problemen und Ängsten, diese generelle Zukunftsangst, ist keineswegs negativ, sondern „gut so”.

Denn: nicht nur Unternehmen leben davon, sondern „die Wirtschaft” insgesamt steht und fällt mit dem Konsum. Es spielt dabei keine Rolle, ob es um den Konsum von hilfreichen Medikamenten für ein faktisches Gesundheitsproblem geht, oder um den Konsum eines schnöden 08/15-Joghurts, der angeblich einen „Blähbauch” verhindert, der in einer Werbeagentur erfunden wurde. Es spielt keine Rolle, ob ein Produkt den Menschen hilft oder zur Massenverdummung beiträgt. Sondern es geht ausschließlich darum, dass konsumiert wird, was und warum auch immer.

Was damit eben auch die Volkswirtschaft, Konjunktur, Arbeitslosigkeit, Steuern, Abgaben, etc, etc, also „den Staat” als solchen betrifft: auch der Staat profitiert auf mehrfache Weise ganz erheblich von den Problemen und Ängsten der Menschen, je mehr davon, „umso besser für uns alle”, weil das „die Konjunktur belebt”, weil es „Arbeitsplätze erhält” und/oder „neue schafft”, weil es „den Standort Deutschland sichert”, etc, etc. Auch das gehört zur... „sozialen(!) Marktwirtschaft”.

Und es gehört ebenso dazu, wenn von staatswegen eine Angst vor Terrorismus geschürt wird, obwohl jedes Jahr mehr Menschen dadurch ums Leben kommen, weil sie unglücklich von der Leiter fallen, als durch Terroranschläge; ganz einfach weil es seit den 1980er Jahren in Deutschland keine mehr gegeben hat, die man als solche bezeichnen könnte.
Die Angst vor dem Terror wird dennoch von oberster Stelle geschürt, um (u.v.a.) Datenschutz und Bankgeheimnis aufzuweichen, um „biometrische” Reisepässe problemlos durchzusetzen, etc, etc - was ohne diese Angst vor dem Terror womöglich zu erheblichen Protesten führen würde ...und das alles auch noch vom Bürger selbst über Gebühren und Steuern finanzieren zu lassen.

Und es gehört gleichfalls dazu, wenn von staatswegen das Angstszenario einer „Überalterung der Gesellschaft” aufgebaut und die Angst vor einem „Klimawandel” geschürt wird, die Angst vor Epidemien und vor einem „Bildungsnotstand”, vor Arbeitslosigkeit und Wirtschaftskrise, etc, etc, etc:
Der Staat, von dem man meinen sollte, dass er seine Bürger schützt, und auch ansonsten für seine Bürger nur das Beste im Sinn haben würde, sorgt direkt und indirekt für das glatte Gegenteil. Und das offenbar äußerst erfolgreich:

Angeblich haben ca. 60% der Deutschen Angst, zum Opfer einer Naturkatastrophe zu werden, 50% haben Angst vor Terrorismus, fast 50% haben Angst vor einem Jobverlust und ebenso viele haben Angst vor einer schlechten Wirtschaftslage. Nur zum Beispiel.
( Diese Prozentzahlen stammen übrigens aus einer Studie, die im Jahr 2010 von einer Versicherung(!) in Auftrag gegeben wurde, um die „Rangliste der Ängste der Menschen” zu ermitteln - bezeichnenderweise, denn es interessiert natürlich enorm, was die lukrativsten Ängste sind, für die sich eine passende Versicherung verkaufen lässt, mitsamt Versicherungssteuer für den Staat, übrigens. )

In der Gesellschaft geht die Angst um - und zwar bei Kindern angefangen: ca. 30% aller Schulkinder haben Versagensangst und Angst vor schlechten Noten. Sodass etwa 6% der 12-jährigen von ihren Eltern genötigt werden, Aufputschmittel zur Steigerung der schulischen Leistungen zu schlucken, und sich bereits 4-jährige(!) Kinder in psychotherapeutischer Behandlung befinden, weil sie mit diesem Druck seitens Eltern und Schule nicht mehr zurechtkommen.

Fragt man Otto Normalbürger danach, was er davon hält, findet er das auch noch völlig in Ordnung. Weil man ihm permanent unter die Nase reibt, wie wichtig es sei, dass die Wirtschaft brummt, weil das Arbeitsplätze sichert oder schafft, und es schließlich um unser aller Wohlstand geht. Weil man Otto Normalbürger äußerst erfolgreich beigebracht hat, was darunter zu verstehen ist, und ebenso erfolgreich davon abhält, ein paar Blicke unter diese Oberfläche zu werfen.

 

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