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Kollateralschäden
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von Cerny ©1992-2011 - zuletzt überarbeitet: 26.06.2011
 

Ein Kollateralschaden ist ein „unbeabsichtigter Begleitschaden”, der zuweilen auch als „unvermeidbar” absichtlich in Kauf genommen wird: getötete Zivilisten in einem ungenauen Bombenabwurf, zum Beispiel, oder auch Obdachlose in einer „sozialen Marktwirtschaft”, sowie „bedauerliche Einzelfälle” aller Art.

Apropos „soziale Marktwirtschaft”: entlang der Oberfläche handelt es sich dabei um das ehrenwerte Modell, „die Wirtschaft” nicht allein den „Gesetzen des Marktes” zu überlassen, sondern über staatliche Regelungen auch für einen „sozialen Ausgleich” zu sorgen - wobei es schon alleine nachdenklich machen könnte und sollte, dass das überhaupt notwendig und erforderlich zu sein scheint.
Unter der Oberfläche handelt es sich bereits bei dem Begriff um ein Paradoxon: die Theorie der Marktwirtschaft bzw. das Wirtschaftssystem basiert auf dem Prinzip einer „reinen Objektivität” (genau deshalb wurde nicht zuletzt der Handel zu einer „Wissenschaft” erklärt und erhoben), was damit jedoch zwangsläufig alles „nur Subjektive”- und damit eben auch: alles „Soziale” - kategorisch ausschließt.

Dieser kleine, jedoch fatale Schönheitsfehler der Wirtschaftstheorie, der erst bei einem Blick unter die Oberfläche erkennbar wird, zieht sich dem entsprechend auch durch dieses gesamte System hindurch: So umfasst etwa der Begriff „Lebensstandard” - entgegen landläufiger Vorstellungen - ausschließlich den materiellen Konsum einer Gesellschaft, ermittelt anhand des „Bruttoinlandsproduktes”, des „Bruttonationaleinkommens” und des so genannten „Pro-Kopf-Einkommens”; was also mit Lebensqualität herzlich wenig zu tun hat: ob sich die Menschen wohlfühlen oder reihenweise die Brücke hinunter stürzen hat für den „Lebensstandard” nicht die geringste Bedeutung.

Noch ein wenig tiefer unter die Oberfläche geschaut und sich u.a. dem Begriff des „Bruttoinlandsproduktes” gewidmet, fällt irgendwann auf: es handelt sich dabei um die gesamte wirtschaftliche Leistung einer Nation, also das Erwerbs- und Vermögensaufkommen inklusive Steuern, Subventionen, Abgaben, etc, etc.
Und das heißt im Klartext: inbegriffen sind sämtliche Geldbewegungen(!) auch aus Rechtsstreits, sowie medizinischen Behandlungen und Aufwendungen, wie ärztliche Behandlungskosten, Arzneimittel, Medikamente, Anschaffungen von technischen Geräten in Kliniken und Arztpraxen, etc, etc.

Das wiederum heißt: je mehr Rechtsstreitigkeiten, je mehr Nachbarschaftszank um einen Gartenzaun, und je kranker die Menschen, desto mehr Geldbewegungen finden statt, desto höher das „Bruttoinlandsprodukt”, desto höher(!) der „Lebensstandard”.
In der Umkehrung heißt das: je weniger sich Menschen streiten und prügeln, je mehr Nachbarschaftshilfe, je mehr ehrenamtliches Engagement, je gesünder die Menschen leben (etc), desto niedriger(!) der „Lebensstandard”. Unglaublich, aber wahr.
( Anm.: Auf Initiative der EU sollen die europäischen Regierungen seit 2011 bis 2013 eine Alternative erarbeiten, die den Begriff „Wohlstand” auch anhand qualitativer Werte neu definiert, wobei das Bruttoinlandsprodukt als maßgebliches Kriterium beibehalten werden soll - was ein echtes Kunststück wäre )

Dem gegenüber wiederum: Deutschland als stolzer „Exportweltmeister”, woraus nicht zuletzt gern der hierzulande herrschende Wohlstand abgeleitet wird. Hierin inbegriffen nämlich auch, dass laut dem Stockholmer Friedensforschungsinstitut „SIPRI” die deutschen Rüstungsexporte in den letzten 5 Jahren um 70 Prozent(!) gestiegen sind, Deutschland damit der größte Waffenexporteur Europas und der drittgrößte der Welt ist.
Eine sehr freie Auslegung von „sozialer Marktwirtschaft”. Zum Beispiel, wenn man sie in einer angeblich „globalisierten Welt” auf die eigenen Staatsgrenzen bezieht. Je nach Gutdünken. Wie es gerade so passt.

Dem gegenüber wiederum: Die Zahl von etwa 800.000 obdachlosen Deutschen, was ungefähr der realen Einwohnerzahl der Stadt Köln entspricht. Eine Zahl, die von Wohlfahrtsorganisationen geschätzt ist, weil sie geschätzt werden muss, weil Obdachlose - im Gegensatz zu Arbeitslosen - nicht gezählt und nicht statistisch erfasst werden.
Das heißt: während die Arbeitslosenzahl hochaufwändig ermittelt, „bereinigt” und geschönt und allmonatlich präsentiert wird, weil sie so etwas wie einen Indikator für unseren Wohlstand darstellen soll, scheint die Zahl der Obdachlosen als Indikator offenbar ungeeignet, unwichtig und irrelevant zu sein; geschweige denn, dass sie jeden Monat aktualisiert veröffentlicht werden würde. Warum wohl?

Weitere Kollateralschäden dieses Wirtschaftssystems resultieren (u.v.a.) aus dem legitimierten Egoismus, der sog. „wettbewerbsorientierten Selbstbehauptung”, also dem geforderten und geförderten Rivalitäts-, Konkurrenz- und Auslesedenken:
Es gilt „besser zu sein”, um „sich durchsetzen zu können”, auf sämtlichen Ebenen, beileibe nicht nur im als „Wettbewerb” verharmlosten Wirtschaftsleben unter Unternehmen, nicht nur in Berufsleben und Karriere, nicht erst in der Schule, wenn es um Zensuren und Abschlusszeugnisse geht, sondern immer früher, inzwischen bereits bei den Kleinsten in Kindergarten und KiTa ...sodass schon 4-jährige(!) Kinder psychotherapeutisch behandelt werden, weil sie dem Leistungsdruck in Elternhaus und Schule nicht gewachsen sind; und etwa 2 Millionen Kinder anstelle von Psycho-Therapien heftige Aufputschmittel schlucken.

In diesem darwin'schen Klima fühlen sich heute circa 45% der Arbeitnehmer von Kollegen gemobbt, circa 50% leiden unter „seelischem Druck”, Stress ist für circa 45% ein „lebensbegleitendes Problem”. Nahezu zwangsläufig resultieren daraus entsprechende Erkrankungen, wodurch der Wirtschaft circa 15 Millionen Euro pro Jahr auf Grund entsprechender Arbeitsausfälle verloren gehen. Wobei es kaum möglich ist, die weiteren Folgeschäden in Zahlen zu fassen, die dadurch entstehen, dass die Betroffenen ihre Probleme nach Feierabend mit in ihre Familien tragen.

Folgeschäden, die etwa daraus bestehen, dass Erkrankte sich aus Angst um ihren Arbeitsplatz eben nicht krankschreiben lassen, sondern so lange weiter arbeiten, bis sich das Krankheitsbild bedrohlich verschärft hat.
Folgeschäden, die Menschen in Isolation, Aggression und Depression drängen, in Alkohol-, Medikamenten- oder Spielsucht, die Menschen „in Scheinwelten flüchten” lassen (z.B. übermäßiges Computerspielen), Amok laufen lassen oder gleich in den Selbstmord treiben, wie ihn jährlich 11.000 (!) Menschen hierzulande begehen, 30 Menschen am Tag, darunter mindestens ein Jugendlicher.

Das alles übrigens... nur beispielsweise.

 

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